Wer ist Christ?

Dem Menschen nützen theologische Anleitungen und Vorschriften wenig, die zudem meist unübersichtlich sind und versuchen, kleinste Details zu regeln. Die Priester wollen den Menschen einreden, nur sie könnten ihnen sagen, was zu tun sei. Die reine göttliche Lehre ist dagegen bewusst knapp und einfach gehalten. Die Basis bilden die Zehn Gebote, gekrönt durch die göttliche Verdichtung im Gebot der Nächstenliebe. Hier sind keine Deutungen mehr nötig. Die Wirksamkeit und Glaubhaftigkeit der Lehre kann allein durch Taten bewiesen und erfahren werden. Es zählt nur ein christlicher Lebenswandel in tätiger Nächstenliebe. Wer Christ sein will, muss jeden Tag neu beweisen, dass er es tatsächlich ist. Wie verhalte ich mich gegenüber meinen Kollegen, meinem Chef, meiner Familie, meinen Kindern? Wie verhält sich der Vorgesetzte gegenüber seinen Untergebenen? Wie zeigt sich der Christ in einer kritischen Situation in der Öffentlichkeit, in Gesprächen? Wie signalisiert er, welche Geisteshaltung er vertritt? Wo ist er bereit, sich für andere, Schwächere einzusetzen? Jeder Christ kann seine christliche Identität schnell verlieren, wenn er in einer neuen Situation seinen Nächsten nicht mehr wahrnimmt. Wie schnell das gehen kann, musste selbst Petrus erfahren.

Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir, daß du in dieser Nacht, ehe der Hahn kräht, mich dreimal verleugnen wirst. (Matth. 26.34)

Solche Erfahrungen dürfte in ähnlicher Form jeder schon einmal gemacht haben. Für die Zukunft hilft nur, Gott um die Fähigkeit zu bitten, in einer neuen kritischen Situation besser zu reagieren. Der Mensch muss akzeptieren, dass er es alleine, also ohne Gottes Hilfe, nicht schafft, alle täglichen Herausforderungen als Christ zu bestehen. Es hat schon seinen Sinn, dass die Sonne jeden Tag über Gerechten und Ungerechten aufgeht, denn keiner weiß, ob er morgen gerecht oder ungerecht sein wird.

Menschsein bedeutet nicht, katholisch, evangelisch, orthodox, jüdisch, Muslim, Buddhist, religionslos etc. zu sein; sondern vielmehr, in welchem Umfang der einzelne Mensch bereit ist, den/die Mitmenschen in sein Tun und Denken und seine Handlungsweise mit einzubeziehen. Er kann sein Denken nicht ausschließlich an seinen Interessen ausrichten, sondern er muss prüfen, ob seine Wünsche jedem in der Gesellschaft zugestanden werden können. Selbst diese relativ positive Denkweise kann zu kurz greifen, denn des öfteren wurde, was in der Anfangsphase für einzelne noch geduldet werden konnte, in der Massengesellschaft unerträglich und zur Qual. Ist der vorgesehene Weg nicht zu empfehlen, weil er von vornherein nur Minderheiten und Eliten dient, dann muss der wahre Mensch darauf verzichten können und wollen. Wer dieses Grundprinzip nicht wahrhaben will, wird nie Mensch oder wahrer Christ in der Nachfolge Jesu werden. Er bleibt ein ichbezogener Egoist, der sich nur um sein eigenes Wohl kümmert. Die Auswirkungen auf sein Umfeld, seinen Nächsten, interessieren ihn nicht.

Der Mensch, der sich bemüht, aufrecht durch sein Leben zu gehen, wird fähig sein, etwas von seiner Kraft an andere weiter zu geben Er muss sich dabei vor Überheblichkeit, Eitelkeit und Arroganz hüten, denn sie waren schon immer die Wegbereiter für einen jähen Absturz. Wenn solche Stürze nicht zu vermeiden sind, dann sollten sie wenigstens zu neuen positiven Erkenntnissen führen. Wer die eigenen Schwächen kennt und bekämpft, hat die Chance, sein Ziel zu erreichen, nämlich wahrer Mensch zu werden. Einen Lebenspfad, den jeder - kontrolliert von seinem Gewissen - allein mit Gott gehen muss.

Die Chancen der christlichen Kirchen